Leitbild: Homöopathischer Arzt

Leitbild: Homöopathischer Arzt

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von Dr. Anne Sparenborg-Nolte, DZVhÄ Projektleiterin „Qualitätskonzept“

Dr_Anne_Sparenborg_NolteFür die Theorie und Praxis der Homöopathie ist das Selbst- oder Leitbild, das homöopathische Ärzte von sich, ihrer Aufgabe und Tätigkeit entwerfen, ein wichtiger Faktor. Arbeit an diesem Selbstbild aufzunehmen bedeutet nicht, Ideale zu konstruieren, die das Gefühl von Insuffizienz nur verstärken. Vielmehr soll eine Bestandsaufnahme und Akzeptanz der Ressourcen des homöopathischen Arztes der erste Schritt sein. Es werden keine Endergebnisse präsentiert; diese vorläufigen Bausteine zu einem Gesamtbild sind dazu gedacht, Diskussionen anzuregen.

„Des Arztes höchster und einziger Beruf ist, kranke Menschen gesund zu machen, was man Heilen nennt.“ (Samuel Hahnemann, Organon, § 1)

Arzt-Patient-Beziehung

Das Organon der Heilkunst konzipiert den homöopathischen Arzt als eng an den Bedürfnissen des Patienten orientiert, rasch und praktisch helfend. Er verhält sich authentisch und betrachtet den Patienten als sein ebenbürtiges Gegenüber. Der Arzt handelt nüchtern und zielgerichtet, klärt den Patienten, soweit es angemessen erscheint, über die homöopathische Denk- und Heilweise auf und motiviert ihn zur Mit- und Eigenhilfe.

Behandlungsziel

Ziel ärztlichen Handelns ist Heilung, wo Heilung möglich ist, nicht die Perpetuierung des Krankseins durch reine Palliation der Symptome. Es ist Anspruch und Praxis des homöopathischen Arztes, zuverlässig und sanft zu heilen.

Heilkunst

Die Homöopathie wird im Selbstbild vieler homöopathischer Ärzte als Heilkunst konzipiert und geht damit über eine rein versorgende Tätigkeit hinaus.

Ganzheitliches Konzept

Der homöopathische Arzt interessiert sich für die gesamte Krankheitsgeschichte, insbesondere für ihre bedeutungsvollsten Momente. Er eruiert alle Symptome, vor allem die ungewöhnlichen, individuellen Symptome des Kranken. Für die Anamnese wendet der homöopathische Arzt deutlich mehr Zeit auf als in der Medizin sonst üblich. Die Homöopathie umfasst sowohl eine den epidemischen Infektionskrankheiten, der Heredität als auch dem jeweiligen kranken Individuum angepasste Sichtweise.

Wege zur Heilung

Der homöopathische Arzt kennt die jeweils spezifischen Kräfte der von ihm verwendeten potenzierten Arzneien, bringt sie mit seiner Krankheitserkenntnis in Übereinstimmung und weiß sie dem Krankheitsfall angemessen zu wählen. Darüber hinaus berücksichtigt er etwaige Hindernisse der Heilung, die soweit möglich vom Kranken fern zu halten sind. Er berät den Kranken dahingehend, dass dieser die Gesundheit störende oder Krankheit erzeugende Dinge meidet, entfernt oder ändert. Er nimmt neben der Verordnung homöopathischer Heilmittel gesundheitserzieherische und aufklärende Aufgaben wahr.

Arzneimittelwahl nach dem Ähnlichkeitsprinzip

Die Symptome und Krankheitsempfindungen, sowohl die vom Kranken selbst als auch die von seinen Angehörigen geschilderten und vom Arzt selbst beobachteten, ergeben zusammen die Indikation für die Wahl der homöopathischen Arznei. Dabei sollen die Symptome des Patienten denjenigen Symptomen, die eine Arznei bei der Prüfung an gesunden Arzneimittelprüfern hervorgebracht hat, möglichst ähnlich sein.

Krankheitsverständnis

Krankheits- und Symptomverständnis des homöopathischen Arztes beziehen sich auf die Lebenskraft als vermittelnde und vereinende Entität zwischen Körper und Geist. Krankheitsentstehung, Arzneimittelwirkung und Heilungsverlauf werden als primär immateriell verstanden, d. h. sie werden dem energetischen Bereich der Lebenskraft zugeordnet. Der homöopathische Arzt kann nur indirekt über den Einfluss der Arzneien auf die Lebenskraft eine Heilung bewirken.

Chronische Krankheiten

Der homöopathische Arzt besitzt ein Konzept über die Entstehung und den Verlauf chronischer Krankheiten, das von dem allgemein üblichen Konzept der Medizin abweicht. Soweit Heilung möglich ist, werden nicht einzelne Symptome bekämpft oder palliativ angegangen. Symptome werden vielmehr als Gesamtheit und Kontinuum betrachtet und als solche behandelt, auch wenn sie nach herrschender medizinischer Auffassung unterschiedlichen Krankheitsnamen und -kausalitäten zugeordnet sind.

Universalität

Dem Wesen seines Krankheitsverständnisses entsprechend ist der homöopathische Arzt, ob allgemein- oder fachärztlich ausgebildet, eher Universalist als Spezialist. Er behandelt nicht in erster Linie Krankheitsnamen, sondern kranke Menschen mit ihren charakteristischen Symptomen. Sein jeweiliges Spezialgebiet kann ihm jedoch als Erfahrungswissen bei der Beurteilung von Verläufen sowie bei der Prognose von Vorteil sein und die homöopathische Lehre bereichern.

Grenzen

In Kenntnis seiner eigenen Grenzen holt sich der homöopathische Arzt bei Bedarf den ärztlichen Rat anderer Kollegen ein. Er begegnet seinen Kollegen mit Wertschätzung, auch wenn über einzelne fachliche Themen unterschiedliche Meinungen bestehen. Kritik äußert er klar und unter Wahrung der persönlichen Achtung. Die Homöopathie selbst stößt dort auf ihre Grenzen, wo in ihrer Funktion unersetzliche Organe oder Gewebe zerstört oder entfernt worden sind sowie bei den Krankheiten, die der Chirurgie oder der Toxikologie anheim fallen. Selbst in den Fällen, in denen die Homöopathie den Patienten nicht heilen kann, kann sie noch palliative Hilfe leisten.

Selbstreflexion

Der homöopathische Arzt kann seine Beobachtungen, Reaktionen, Vorlieben und Verschreibungen reflektieren und relativieren. Er bedient sich der Dokumentation, der Supervision, Intervision und der Qualitätszirkel sowie des Literaturstudiums und der Fortbildung, um Fehler zu vermeiden und seine homöopathischen Kenntnisse zu erweitern zum Wohle der Patienten.